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Warum ich nach 50 Jahren der Zugehörigkeit, die Organisation der Zeugen Jehovas verlassen habe.

Aktualisiert: 2. Jan. 2023


Ich bin einer von den vielen ehemaligen überzeugten Zeugen Jehovas, die nach vielen Jahrzehnten Dienst in der Organisation der Zeugen Jehovas diese verlassen haben. Meinen Namen möchte ich immer noch nicht nennen, aus Rücksicht auf meine Frau, die noch nicht offiziell ausgetreten ist um den Kontakt zu ihren über achtzigjährigen Schwestern nicht zu verlieren.

Von meiner Jugend an wurde ich - wie man so im Sprachgebrauch der Zeugen Jehovas sagt, - in der Wahrheit erzogen worden. Obwohl meine Eltern keine Hardcorezeugen waren, habe ich meine theokratische Laufbahn aus Überzeugung mit dem Pionierdienst begonnen. Nach 6 Monaten Haft wegen Ersatzdienstverweigerung wurde ich zusammen mit meiner Frau zum Sonderpionier ernannt. Viele Jahrzehnte diente ich als VA und Ältester, bis zu meinem Ausstieg, in einer Versammlung. Ich möchte nun nach vielen Jahren über Gründe meines Ausstiegs sprechen, in der Hoffnung das es einige geben wird, die sich in den hier geschriebenen Erfahrungen wiederfinden, aber auch, um einige Lügen die in der Zwischenzeit über mich verbreitet wurden, zu begegnen.

Womit alles begann!

Im Jahr 2012 startete die Führung der Organisation eine Umfrage unter den Ältesten der Versammlungen in Deutschland, um die Ursache bezüglich der zunehmenden Zahl von untätigen und unregelmäßigen Verkündigern zu erfahren. Auf der Grundlage vorgegebener Möglichkeiten für dieses Problem, wie z. B. Alter, Krankheit, Druck dieses Systems u.s.w. wurden die Ältesten explizit dazu aufgefordert Stellung zu nehmen, wo sie die Ursache für diese negative Entwicklung sehen.

Ich persönlich begrüßte dieses Vorhaben und freute mich auf die die Möglichkeit eines offenen Austauschs. Ich glaubte und hoffte das es den Verantwortlichen weniger um die Auswertung der üblichen Statistiken ging, als vielmehr darum zu erfahren, wo Älteste vor Ort die Ursache für diese negative Entwicklung sehen. Doch meine Mitältesten waren schon dabei anhand ihrer Statistiken und Aufzeichnungen die Fragen im üblichen Sinn abzuarbeiten und zu beantworten. Auch wurden die Kreisaufseher angewiesen drauf zu achten, dass die Ältesten sich mit diesen Fragen auch wirklich auseinandersetzten.

Unserem damaligen Kreisaufseher gegenüber betonte ich jedoch, dass ich hier gerne meine persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen mitteilen möchte, ich aber die Befürchtung habe mir Ärger einzuhandeln, wenn ich wirklich schreibe, was ich denke. Seine Worte: "solange du freundlich und höflich deinen Standpunkt niederschreibst, was soll dir passieren?"

Schon lange war ich der Ansicht das der Zustand der Versammlungen der Zeugen Jehovas, so wie das Selbstbild der Organisation, nicht der Wirklichkeit entspricht. Es bestand für mich eine große Diskrepanz der Wahrnehmung der Brüder zwischen dem was tatsächlich ist, und dem was erwartet wird, was zu einer gewissen Entfremdung zwischen den Verkündigern und der " Führung" führte.

Hinzu kommt, dass Viele durch die Lehren und Vorhersagen, die sich als verkehrt erwiesen haben enttäuscht worden. Bei anderen wiederum waren es die Härten gewisser Vorgehensweisen oder das Gefühl sich in einer ständigen Tretmühle vorgegebener Tätigkeiten der Organisation zu befinden. Auch die Zusammenkünfte boten wenig Raum für eine echte geistige Erbauung. Das führte dazu das sie die Organisation verließen, oder zumindest in einer Art innerer Ablehnung passiv über sich ergehen zu ließen.

Es ist langsam an der Zeit, die Wurzel dieser Täuschung, der autoritären Natur der Vorgehensweisen gegen die Brüder, so wie die Fruchtlosigkeit unserer vorgegebenen Tätigkeiten zu erkennen. Ohne eine Rückkehr zu den grundlegenden Wahrheiten der Bibel und der Lehren Jesu Christi sind diese Probleme nicht zu lösen. Leider ist der "Durchschnittszeuge " immer weniger dazu angeleitet worden, ein gutes persönliches Verständnis der Heiligen Schrift zu entwickeln. Trotz aller Ermunterung durch den „Sklaven“ das "Bibelleseprogramm" und das "persönliche Familienstudium" zu nutzen, gibt es nur geringe Ermunterung, den eigenen Intellekt anders zu gebrauchen als dazu, alle Informationen - die der "Sklave“ liefert, anzunehmen, und sie zum eigenen Gedankengut zu machen. Grundsätzlich war eigenständiges erforschen biblischer Zusammenhänge und Fragen unerwünscht und wurde als Versuch selbstständigen Denkens kritisch gesehen und verurteilt.

Dies alles sollte, zusammengefasst, der Inhalt meines Briefes sein. Unserem Kreisaufseher hatte ich sie zwar nicht so deutlich umschrieben dennoch ermunterte er mich und sagte: „schreibe was du wirklich denkst, die Brüder möchten eine ehrliche Antwort der Ältesten“.

Die Folgen dieses geistigen Mangels sah man meiner Meinung nach an der Tatsche, wie die Versammlungen schrumpften. Ich erlebte, wie sich unserer Versammlung im Laufe weniger Jahre von ca. 120 auf unter 100 Verkündige verkleinerte. Leider verließen mehr die Versammlung als hinzukommen, und selbst die Neugetauften verlassen oft nach einigen Jahren die Versammlung wieder.

Selbst getaufte Kinder und Jugendliche von Ältesten, verließen zum großen Teil die Versammlung, sobald sie Volljährig waren. Das als das Ergebnis unserer Bemühungen zu sehen, war sehr frustrierend. Verantwortlich für diese negative Entwicklung, so meine Erfahrung, wurden nur die Ältesten gemacht. Und natürlich machte sich diese Lustlosigkeit und Resignation auch unter den Ältesten bemerkbar. Ich hatte Hinweise darauf die vermuten ließen, das Älteste ihren monatlichen Bericht manipulierten, um nicht unangenehm aufzufallen.

Als ich meinen Mitältesten erklärte, wie und wo ich die Ursache der Probleme sah, und dass ich in diesem Sinn der Gesellschaft schreiben wollte, waren sie wenig begeistert. Obwohl sie mir in den Vieraugengesprächen zustimmten. Sie waren nicht bereit dieses Schreiben als Dienst-Komitee mitzuunterzeichnen. Als ich meinen Brief verfasst hatte gab ich ihn dem Kreisaufseher zum lesen, seine Reaktion, „wenn du das so siehst, dann schicke ihn ab“. Ok, das tat ich dann auch, was sollte er auch anders sagen?

Als ich ihn abgeschickt hatte waren es erstaunlicher Weise meine Mittältesten die wochenlang nachfragten: „und hat sich die Gesellschaft schon gemeldet? Was hat sie zu deinem Brief gesagt? Auch ich war gespannt, aber es kam keine Antwort von der Gesellschaft. Im Nachhinein war mir klar, dass es eine naive Vorstellung von mir war eine Reaktion zu erwarten.

Erst als der Kreisaufseher gewechselt wurde und ein "Neuer" unsere Versammlung besuchte merkte ich, hoppla Eiszeit mir gegenüber ist angesagt. Wie es sich im Nachhinein gezeigt hat, hatte er wohl aufgrund meines Briefes, den Auftrag zu erforschen ob ich noch tragbar sei als VA zu dienen. Er befragte einige Verkündiger und als ihm auch mit mir befreundeten Brüdern direkt und indirekt einiges zutrugen das mein Vertrauen bezüglich des „treuen und verständigen Sklaven“ zu wünschen übrig ließ stellte er in der Ältestenbesprechung ohne Vorwarnung die Frage ob ich als VA noch der richtige sei. Meine Mitältesten drucksten rum, wollten mir nicht offen in den Rücken fallen. Ich habe ihnen deshalb die Entscheidung abgenommen und gab freiwillig mein Amt als VA oder „Vorsitzführender Aufseher“ ab, wurde aber noch als Ältester, wenn auch unter strenger Beobachtung, geduldet.

Jedes Gebet, jede Ansprache und jeder Kommentar, wurde kritisch hinterfragt. Man kam zu der Überzeugung das ich zu viel den Namen Jesu gebrauchte und in den Vordergrund stellte, den Namen Jehovas und seine Organisation zu wenig respektierte, dem Sklaven nicht genügenden vertraute und kritische Kommentare von mir gab. Ich gebe gerne zu das ich offen Dinge sagte, die dem was der Wachtturm lehrte in Frage stellte, so dass ich Kommentarverbot erhielt. Offiziell, so sagte man mir, dies sei kein Kommentarverbot, ich könne mich melden aber man würde mich nicht mehr aufrufen. Unter diesen Umständen als Ältester zu dienen, wurde immer sinnloser, und so war es für mich an der Zeit auch mein Amt als Ältester niederzulegen.

Ich muss sagen das ich schon längere Zeit mit meiner Enttäuschung bezüglich der sich ständig änderten Lehren und Vorhersagen zu kämpfen hatte und mit dem Gedanken spielte mein „Amt“ niederzulegen, aber das ist nicht so einfach. Irgendwie glaubte ich immer noch, dass ich als Ältester etwas in Richtung Wahrheit bewegen könnte, ein vermessener Trugschluss wie die Erfahrungen zeigten.

Ich habe natürlich auch mit Ältesten privat gesprochen, und viele haben meine Sicht der Dinge insgeheim geteilt. Besonders das „neue Licht“ über die sogenannte „Überlappende Generation“ sorgte bei vielen für Kopfschütteln. Dadurch fühlte ich mich in meiner Überzeugung bestätigt, aber wenn es darauf ankam Stellung zu beziehen zogen sie sich zurück.

Meine Erfahrung nach dem ich meinen kritischen Brief geschrieben hatte, - niemand darf ungestraft Kritik oder Zweifel an die Lehren und Handlungen des "treuen und Verständigen Sklaven" äußern. Kritik an den Sklaven wird immer Gleichgesetzt mit Kritik an Gott und sein Wort.

Nachdem ich kein Ältester mehr war habe ich noch weniger auf kritische Worte verzichtet. Im Nachhinein wurde mir klar, dass ich es regelrecht darauf anlegte ausgeschlossen zu werden. Obwohl sich einige Älteste wirklich bemühten mich wieder auf den sogenannten „rechten Weg“ zu führen und mir Brücken bauten, wieder auf Spur zu kommen – es war nicht möglich, der der Zug war abgelaufen. Dies wäre nur mit totaler Verleugnung möglich gewesen. Nachdem eine Schwester einen kritischen Brief den Ältesten übergeben hatte und man mich zu einem „Gespräch“ einlud war mir klar was zu tun war, sich selbst die Gemeinschaft zu entziehen.Link zum Originalbrief: https://www.bruderinfo-aktuell.org/mein-brief-an-das-zweigbuero-selters/?highlight=Mein%20Brief%20an%20das%20Zweigbüro%20Selters

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